Geldvernichtung durch hektische Aufpersonalisierung und schnelle Ausbildung, Teil 2

Nachdem im letzten Blogpost beschrieben wurde, welche Gefahren bei der hektischen Rekrutierung von Personal lauern, soll nun , bewusst zugespitzt, auf den darauf folgenden Prozess eingegangen werden.

Es wurde bereits angedeutet, dass einige Unternehmen in der Eile sogar auf eine telefonische Vorauswahl verzichten, um Zeit zu sparen. Das erweist sich im Nachgang oft als großer Fehler, denn bei diesem telefonischen Vorgespräch erhält man schon erste Eindrücke des Bewerbers im Hinblick auf seine Sprachfähigkeit und sein Verhalten am Telefon. Darauf zu verzichten ist schlicht fahrlässig.

Die vermeintlich geeigneten Bewerber werden nun zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auch hier erlebe ich, dass die operativen Bereiche aus Zeitmangel keine Vertreter in die Vorstellungsrunden entsenden. Aber gerade diese Fachleute aus den operativen Bereichen haben als Führungskräfte ein sehr gutes Gefühl dafür, ob ein Bewerber geeignet ist. Da bekanntlich gutes Personal sehr schwer zu finden ist, werden nicht selten die selbst gesteckten Mindestvoraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung abgesenkt – frei nach dem Motto: „Das können wir Ihnen alles noch beibringen.“

Das können Sie nicht, glauben Sie mir.

Wenn einem Bewerber schon elementare Voraussetzungen für die Betreuung von Kunden oder den Vertrieb von Produkten fehlen, dann tut man weder dem Bewerber noch dem einstellenden Unternehmen einen Gefallen. Einem Bewerber, dem diese Voraussetzungen fehlen, wird es unendlich schwerfallen, ein Kundengespräch zielgerichtet und empathisch zu führen. Ganz zu schweigen davon, on top noch etwas zu verkaufen. Das können Sie noch so viele Leitfäden zum Telefonieren auflegen. Dann werden Leitfäden zu Leidfäden, und zwar für alle Beteiligten: Kunden, Agent, Unternehmen, Auftraggeber usw.
Aber zunächst weiter im Einstellungsprozess.

Nach dem verkürzten Auswahlverfahren geht es nahtlos über in das verkürzte Schulungsverfahren. In der Regel erfolgt zunächst eine Schulung an den Systemen für das Projekt – und das tagelang in der Theorie. Wir wissen schon seit der Schule, dass wir es kaum schaffen, uns länger als 4-5 Stunden auf ein Thema zu konzentrieren, aber geschult wird, unterbrochen von einigen Pausen, bis zu 8 Stunden am Tag – nicht kleckern , klotzen ist angesagt. Was soll da bei den Bewerbern hängen bleiben? In vielen Vertriebs- und Service-Hotlines müssen mehrere Systeme simultan bedient werden. Das kann nicht funktionieren. Durch die Geschwindigkeit wird das Alte vom Neuen überlagert. Am dritten Tag weiß kaum noch jemand, welche Handgriffe am System am ersten Tag gezeigt wurden, weil aus Zeitgründen auf Wiederholungen und Übungen verzichtet wurde. Aber getreu dem Motto „learning by doing“ werden die neuen Mitarbeiter nach kurzer Ausbildung in den Live-Betrieb übernommen. Da man sich schon in der Schulung nicht von Mitarbeitern trennen wollte, die mit der Komplexität überfordert sind, halten diese nun ihre Kollegen und die Kunden auf. Mir ist durchaus bewusst, dass die verantwortlichen Personen in dem Zwiespalt stehen, einerseits das Personal stellen zu müssen und auch andererseits die Qualität und Produktivität hochzuhalten. Trotzdem muss hier klar und deutlich gesagt werden, dass diese Art der Schnell-Qualifizierung in den meisten Fällen nicht funktioniert und in jeder Hinsicht kontraproduktiv ist. Die Kosten, die durch dieses Verhalten im Nachgang produziert werden, betrachten viele Manager leider nicht.

Nun macht sich also der nächste Fehler bemerkbar. Die neuen Mitarbeiter sind im Livebetrieb häufig überfordert und deshalb stellt man ihnen erfahrene Mitarbeiter zur Seite. Als erfahren gelten da durchaus Mitarbeiter, die gerade mal 4-6 Wochen länger da sind. Hier werden dann Arbeitsfehler 1:1 weitergegeben, hier wird Produktivität vernichtet und es wird an der Frustrationsschraube gedreht. Das wiederum hat zur Folge, dass bei sinkender Produktivität und noch eventuell hinzukommenden fehlenden Vertriebserfolgen die Qualität sinkt und ganz nebenbei schleichend der Krankenstand in die Höhe geht. Nun steigen die ersten neuen Mitarbeiter aus, die einen mit Kündigung, die anderen mit Krankmeldungen. Nicht zu verachten ist auch die Belastung des Stammpersonals. Durch die Unterstützung der neuen Mitarbeiter gelingt es diesen immer weniger, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Verantwortungsvolle Arbeitgeber zahlen dann trotzdem eine durchschnittliche Variable, falls das Gehalt einen solchen Anteil hat. Es bleibt aber die Frustration, „es nicht geschafft zu haben“. Außerdem muss das gezahlte Geld ja irgendwo herkommen! Vom Auftraggeber sicher nicht, denn zusätzlich kann es sogar noch zu Maluszahlungen wegen fehlender Einhaltung von Vetragsbestandteilen kommen. So geht das Minusgeschäft weiter. Statt ein Projekt durch die Einstellung weiterer Mitarbeiter zu einem größeren Umsatz und bestenfalls höheren Gewinn zu führen, geht es in die andere Richtung. Zu diesem Zeitpunkt stecken Sie bereits so tief in dieser Negativ-Spirale, dass es nur mit sehr hohem Aufwand und viel Geduld gelingt, diese wieder zu verlassen. Hektische Parolen werden ausgerufen, um die Intervalle einzuhalten. Gespräche müssen von allen Agenten kurz gehalten werden. Cross-Selling wird ausgesetzt, um die AHT1 zu halten. Der Kunde wird „abgearbeitet “ – schon der nächste Fehler! Vordergründig beheben Sie ein Produktivitätsproblem, mittelfristig zerstören Sie zuerst ihre Einnahmequelle durch Cross-Selling, ihre Qualitätskennzahlen und, nicht zu vergessen, die Motivation ihrer Mitarbeiter. Sie werden Wochen brauchen, den Menschen klar zu machen, dass wieder mehr Zeit für Gespräche ist – falls sie da jemals wieder hinkommen. Ihre Coaches werden dann wieder von Mitarbeiter zu Mitarbeiter gehen und all das, was sie schon x-mal gecoacht haben, von vorne beginnen.
Welch ein Schreddern von Zeit und Geld.

Addieren Sie ruhig einmal auf, was bisher in dieser gezeichneten Eskalation noch zusätzlich an Kosten verursacht wurde, durch

  • Kurzfristig angesetzte Meetings
  • Aufträge an HR/Training
  • Organisation von Nachschulungen
  • Kurzfristmaßnahmen zur Sicherung von Produktivität und Qualität

Und das alles nur, weil hektische Betriebsamkeit an den Tag gelegt wurde, wo sie nicht angebracht war.

Nun stellt sich ja die spannende Frage, wie man es besser machen kann. Das ist nach meiner Meinung relativ trivial.

Seien Sie gespannt, welche Vorschläge ich Ihnen mache, um nicht in diese Geldvernichtungsspirale zu geraten. Darüber ausführliche Vorschläge im nächsten Teil.

¹Avarage Handling Time